dies ist die herzliche Einladung zum Literaturfest Meißen, live, leibhaftig und in Farbe:
Das Herz vergraben für ein Beben // Im Wartehäuschen wurde ich Ohrenzeugin Carla Schwiegk und Ulrike Gramann lesen auf Einladung des Kunstvereins Meißen beim Literaturfest Meißen am 10. Juni 2022, 18 Uhr im Kunstverein Meißen, Burgstraße 2, 01662 Meißen
Alle Beteiligten freuen sich auf Ihr zahlreiches Erscheinen, auf Neugier, Meinung und Kritik. Mit den besten Grüßen poliander
In ihrer Ankündigung des neuen Hefts schreiben die herausgebenden Dorit Trebeljahr und Anton Schwarzbach: Katzenvideos | vergangen | mit schädel | aus Plastik am Stein | deine Silhouette | ausgetrickst das verschwinden | am appstart | 1 vanitas oder 1 stillleben … Ob Vanitas oder #stayhome im Juni erscheint die neue Ausgabe mit dem Thema still:leben, mit der wir die Auswirkungen der den Künstlerinnen und Autorinnen verordneten stillen Zeit während der Coronapandemie dokumentieren wollten. Der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine knallte mitten in den laufenden Aufruf und unsere Planungen mit diesem Heft. Wir haben uns entschlossen, den Stimmen/Einsendungen zum Krieg in der Ukraine einen Raum im Heft zu geben. So findet sich im Heft auch die Ambivalenz zwischen still:leben müssen und still:leben wollen.
Das Erscheinen des neuen Hefts Prolog Nr. 24 wird mit einer Ausstellung, Performances, Lesungen usw. gefeiert, diesmal im Hamburger Westwerk. Beteiligt sind Künstler- und Autor!nnen des aktuellen Hefts. Programm hier. Dauer der Ausstellung: 2. bis 6. Juni 2022.
Vorankündigung: Eine Präsentation im io lux Berlin folgt.
Ihr seid, Sie sind herzlich eingeladen, in Hamburg und Berlin dabei zu sein!
Lachen ist Geräusch. Lachen ist Vergnügen. Lachen ist Freude.
Lachen ist albern?
Jahrhundertelang wurde Ostern in der Kirche gelacht, es wurden eigens Geschichten von der Kanzel erzählt, um die Gemeinde zum Lachen zu bringen, “Märlein”, Witze, sogar obszöne.
A: Sind die Zeiten nicht ernst? P: Ja. Aber waren sie das nicht immer?
A: Sind die Zeite nicht finster? P: Ja. Aber wie können wir aushalten ohne das Lachen?
Erst die (sogenannte) Aufklärung machte Schluss mit dem Lachen in der Kirche, Schluss mit dem Lachen zu Ostern. Das war… lächerlich.
Zu Ostern ist es unübersehbar, ganz gleich, wie das Wetter ist: Die hellere Zeit des Jahres hat begonnen. Lachen beweist, dass die Dunkelheit nicht siegt.
A: Zweckoptimismus! P: Das Licht ist wirklich. Ich glaube lieber dem Licht als den Dunkelmännern. Wenn wir das Licht nicht sehen wollen, haben die Dunkelmänner gesiegt.
Lachen ist Widerstand.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
trotz allem, trotz Sorgen, Angst und gerade drum, weil wir mitfühlen mit denen, die leiden: Lachen ist eine große Kraft. Darum möchte P. Sie zum Lachen bringen. Viel besser als P. können das die Schwestern Lisa und Laura Goldfarb. Weil Ostern ist, hier der Link zu dem Stücklein Vergib uns, Hase im Mond. Offenbar nicht für Ostern geschrieben, aber, findet P., sehr passend. Unbedingt bis ganz zum Schluss nach 6 min und 40 sec dranbleiben.
Sie sind, Ihr seid herzlich eingeladen nach Tharandt:
Meetchens Hochzeit Erzählung von Ulrike Gramann mit Zeichnungen von Gudrun Trendafilov
Ulrike Gramann liest am 11. Mai 2022, 19.30 Uhr in der Buchhandlung Findus
Die Künstlerin Gudrun Trendafilov ist anwesend und zeigt einige der Arbeiten aus dem Buch. Wir freuen uns auf Meinung und Gespräch mit Seh- und Leselustigen.
Etwas sagen muss P., denn nichts sagen, das geht nicht auf Dauer. P. im Zweifel: was sagen?
Das war einfach damals im Osten, denkt P.: wir waren einfach alle dagegen. Aber wir waren gar nicht alle dagegen. Sondern in dieses Wir schlossen wir einfach nicht alle ein, sondern nur uns, die wir dagegen waren. Und als es zu Ende gegangen war, waren wir schon bald nicht mehr wir, sondern ich, ich, ich und ich, wir alle waren: jeder für sich.
P. versteht den Satz nicht: “Wir sind am 24. Februar 2022 in einer anderen Welt aufgewacht.” Sondern, meint P., wir sind in der Welt aufgewacht, in der 1972 die Studie des Club of Rome erschien, Die Grenzen des Wachstums. Sie sind erreicht. Und in dieser Welt sind wir auch am 24. Februar 2022 aufgewacht, in der Welt, in der das heute geschieht, nicht irgendwann in zwanzig, dreißig, hundert Jahren.
Es ist unser Problem, bald unser einziges. Jeder Tag jedes Krieges macht es schlimmer, nur schlimmer. Jeden Tag jedes Krieges müssen wir in Menschenleben rechnen, in Zerstörungen, Ressourcen, die fehlen werden. Und das ist über alle Kriege zu sagen, die seit Jahren, Jahrhunderten geschehen, in geografischer Nähe oder vermeintlich weit entfernt. Und das relativiert nichts.
Und zugleich ist uns dieser Frühling gegeben, wie jeder, und diesmal, wie so oft in den letzten Jahren, zu trocken, wenigstens sinkt nachts noch die Temperatur. Nein, P. kippt nicht ins Romantische. Die Zeit, in der es unpolitisch hätte sein können, vom Wetter zu reden, ist vorbei. Was ist Verantwortung? Im Zweifel was sagen?, im Zweifel was tun? Längst ist auch das Wetter Krieg, mit Opfern, die geflohen sind, fliehen, fliehen werden. Welchen Sinn kann jetzt noch Nationalismus haben? (Welchen hätte er jemals gehabt?) Welchen Sinn könnte es haben, zu denken, es gäbe fremdes Leid?
Frühling gleichzeitig, gleichzeitig Krieg, Alltag gleichzeitig, Arbeit, Freude gleichzeitig, und gleichzeitig unser längst nicht mehr angemessener Ressourcenverbrauch, gleichzeitig das Bewusstsein davon. Normalität ist Gleichzeitigkeit. Niemand muss Kassandra heißen, um jetzt rufen zu dürfen. Niemand muss Kassandra heißen, um sich selbst zu fragen. Wo steht P., wo stehe ich? Die Amsel oben im Baum, auch dieses Jahr. Oder: dieses Jahr noch. Wer ist verantwortlich? Frage ich P., frage ich mich? Fragen Sie sich?
P.s Tag fordert Aufmerksamkeit. Nachrichten, Podcasts, die “Newsjunkies“. Der Tag fordert Schritte, buchstäbliche, übertragene, eilige, langsame, überhaupt welche. P. liest trotzdem.
Ein heruntergekommenes Traumhaus am Wald, da könnte Fanny wohnen. Das Haus gehört Ben, mit dem sie die Stadtwohnung teilt. Gern wäre sie Mitbewohnerin im Waldhaus, Mieterin zur Not. Sie macht sich mit dem Haus vertraut, da baut Ben es längst um und lädt andere ein, mit ihm zu leben. Zurück in der Stadt schreckt Fanny aus Wohnalpträumen hoch: Draußen fällen sie die Linde, ihre letzte Verbündete. Wieder keine Aussicht auf zu Hause. *
Gestern Morgen, am 24. Februar 2022, hörte P., dass Russland die Ukraine angegriffen hat.
Nach einem Tag mit fortdauernden Berichten über Explosionen, über den Einmarsch russischer Landstreitkräfte von mehreren Grenzen aus und die beginnende Flucht von Tausenden Menschen (heute früh ist bereits von 100.000 flüchtenden Menschen die Rede), hörte P. am Abend die Meldung, das Gebiet um das stillgelegte Kernkraftwerk von Tschernobyl sei eingenommen.
Wie irre kann man werden?, dachte P.
Und P. dachte, dass nun, da die ökologische Krise mit kollabierenden Ökosystemen in allen Teilen der Erde doch mehr als jemals zuvor die einsichtige und geduldige Zusammenarbeit aller Menschen erfordere, dass also nun ein Krieg sei wie der Mord an einem Schwerkranken, zu dessen Heilung wir stattdessen alle Kräfte in Gemeinschaft mobilisieren sollten.
Sonntags mal im Tagesspiegel lesen, nein, natürlich nicht wegen dieses langjährigen Kolumnisten, den P. ohnehin nie mit Vergnügen las, und zwar wegen seiner sowieso stockkonservativen Ansichten, sondern einfach mal so im Tagesspiegel lesen. Und bald nachdem die letzte ärgerliche Kolumne des Kolumnisten überblättert ist, findet P. da, wo sie’s nun nicht erwartete, nämlich im Interview mit einem Polizisten, ein anregendes Zitat zum Thema deutsche Sprache, schwere Sprache:
Sie gendern. Wie kommt das im Dienst an? Oft wird behauptet, uff, das ist so kompliziert. Aber Leute, beim Einbruch schreibt ihr ins Protokoll: “Hierbei musste am Profilzylindereinsteckschloss mit Sicherheitslangschild und Ziehschutz der doppelt ausgeschlossene Riegel durch mehrfaches schlossseitiges Hebeln mit unbekanntem, geeignetem Tatwerkzeug überwunden werden.” Oliver von Dobrowolski, Polizist, Aktivist, Autor im Interview mit dem Tagesspiegel
Und jetzt schreibt P. sich hinter die Ohren, zukünftig die eigenen Vorurteile zu reflektieren, ehe sie niederschreibt, wo sie sprachkritischen Verstand nicht erwartet hätte. Dafür danke, Tagesspiegel!
Koordinaten: Tagesspiegel vom 20. Februar 2022, Printausgabe
Geräusche: seit Tagen ein fallweise an-, bisweilen auch ab- und herumschwellendes Dröhnen, ein Ziehen und Heulen ums Haus.
Himmelsanblick: Wolken jeder Art, kurzzeitig graue Suppe, häufiger weich auslaufende oder scharf begrenzte Gebilde, die sich türmen, bewegen, Sonnendurchbrüche, dann wieder sich vertiefende Schwärze im Norden, weiß glühenden, ausgefranste Ränder über hellem Grau, Zug nach Osten, davor schwarze Zweige, schwankend, dann schräg liegend unterm gleichförmigen Druck.