Polianders Zeitreisen

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Oh Farbe, oh fließendes Wasser

21.06.2011 · poliander

Die blauen Läden

Die blauen Läden

Mit dem Zug hinfahren heißt: am Kernkraftwerk vorbei. Gleich da geht’s übern Rhein. Der früheste bekannte Name der Stadt: Noviomagus. Neues Feld heißt das, neue Ebene, neuer Markt, ein keltisches Oppidum, Noviomagus Nemetum, denn die hießen Nemeter, die Leute hier, und waren schon da, bevor Cäsar kam. Ob ihre schöne Göttin dann blieb, in ihrem heiligen Hain, dieses Rätsel überlassen wir der Leserin zur Übung. Also die kleine Stadt mit einem Bahnhof von drei Bahnsteigen und dem Bus davor, der steht mit offener Tür, steig ein, wusschh! Natürlich steigen wir an der falschen Stelle aus, doch was macht das schon? Vor einer Kirche ein Auto, raus steigt eine ältere Frau, die nach tiefer Bodenständigkeit riecht, und die sagt dir dann mit einem Akzent, der noch viel fremder ist als pfälzisch, wo’s langgeht. Erleichterung, wir sind nicht am Ende der Welt hier, wir sind links vom Rhein, aber nicht hinterm Mond. Dann geht es durchs Altpörtel, ein Torturm wie aus dem Kinderbuch so fein, dann durch die Fußgängerzone. Die Speyerer und Speyerinnen sitzen aber und lassen sich vom Himmel bescheinen, was ist der auch blau heute. Die schöne Göttin hinterließ die feine Farbe auf den Fensterläden der Gasse schräg weg vom Dom.

Noch schöner, das kleine Museum. Und hinuntersteigen, in das stille mittelalterliche Bad, ein heiliger Ort, auch heilig vor lauter Geschichte, steinern und mit sachtem feuchtem Atem. Ach, Säulchen, wie sie den Durchblick teilen. Polianders Blicke ins Grundwasser und auf den Grund. Dort liegt das Geld der Touristen, das die Engel nicht heben. Poliander guckt nah, Ungeschick verlass mich nicht! fällt P.s Reisehut direkt hinein, schwimmt zur Seite, Poliander steht wie taub, schon zieht Polianders Gefährte den Schuh vom Fuß, steigt dem Hut hinterdrein, kommt nass zurück, steigt mit Poliander die Teppe, und während sie noch mit Tempotaschentüchern die Füße des Gefährten trocknen, schwimmt eine neue Schar Touristen die Treppe herunter, schwimmt trocken, versteht sich, doch hinab, strafende Blicke: Was haben die hier gemacht! Poliander und Gefährte fragen sich. Ist der Hut noch der selbe wie zuvor? Ist das Bad noch das selbe wie zuvor? Sie grinsen vor Verlegenheit, ihr Grinsen macht sie mehr verlegen, und sie machen sich eilig davon. Vorm Tor, wieder im Blau, stülpt P. den Hut über die Ohren, es tropft. Doch wer behielte nicht gern im Frühsommer einen kühlen Kopf.

Koordinaten: 49°19’10” N, 8°25’52” O, Speyer

Ausgrabung
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