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Kranz oder Krone (69) – lebe wohl, meine Schneefrau

17.02.2021 · poliander

Februar ist der Hornung, das war der, in dem Walther* für seine Zehen fürchtete, solang er kein Lehen hatte. Der Februar ist auch der Schmelzmond oder Taumond. Und er ist der Narrenmond. Von all dem bekamen wir im Februar 2021 reichlich, und am Aschermittwoch ist lang nicht alles vorbei. Wie der Schnee dahingeht, schnellstmöglich, während die Temperatur schneller steigt als die Polizei erlaubt, so geht auch das Tauen voran, und den Augenblick, in dem es gerade soviel Schnee wie Wasser gab, haben wir verschlafen.

Gestern noch Schneefrau, heute schon feuchter Hauch, der in den Straßen schwebt.

Vom Narrenmond ist noch einiges übrig, das begleitet uns über Aschermittwoch hinaus. Wurde der Kampf des Karnevals mit den Fasten diesmal doch allzu früh entschieden. Dieser Karneval war von Geburt an verzagt, die Fasten waren schon im letzten November voll präsent. Man verzichtete auf Umarmungen und Küsse und das Trinken aus einem gemeinsamen Weinglas.

Kaum hatte P. eine kleine Schneefrau auf ihren Sonnenblumenmund geküsst, begann die Schmelze. Zuerst verlor sie ihr grünes Fichtenzweighaar, dann fiel ihr Mund in den Blumenkasten. Wer weiß, was aus ihren Überbleibseln wird? Ich weiß es: eine Sonnenblume.

Auch das Wort Sporkel findet P. für den Februar, nie gehört, es soll im Rheinfränkischen, auch im Oberhessischen vorkommen. Wechselnde Vokale: Sporkel, Spurkel, bei den Siebenbürger Sachsen: Spirkel, dann auch Spörckel, Sperkel, auch Sperkelsen im Westerwäldischen. Und noch weit mehr Varianten, alle für den einen Monat: februarius. P. ist ganz verliebt in die Namen dieses kurzen Monats.

Wie kommt P. auf Pieter Breughels Kampf zwischen Karneval und Fasten? Natürlich wegen der Jäger im Schnee und der Kinderspiele und der Niederländischen Sprichwörter. Wien, Berlin. Ach, Museen. P. wird ganz närrisch, wenn sie an Museen denkt. P. wird närrisch vor Glück, wenn sie an das fröhliche Gewimmel auf den Hügeln der umliegenden Parks denkt, das sie an den letzten Wochenende wahrnahm. (So fröhlich sind Breughels Bilder keineswegs, schon gar nicht alle.) Welche Freude, die Kinder der Bewegungsarmut entronnen zu sehn! Viel Freude und ein wenig Risiko, mitten unter uns und unter der gleißenden Februarsonne.

Alles hat seinen Preis. GartenfreundInnen sprechen davon, dass die Schnecken in diesem Winter endlich einmal bekämpft worden seien, nämlich durch Temperaturen tief unter Null. Ein Gesundheitsminister erklärt im Interview, es tue ihm leid, “zu sehen, was wir auch Kindern in Teilen antun.”** Mehrteilige Kinder? Sprache geht bald ganz vor die Hunde, wenn schon mehrere Teile nicht stimmen.*** Jaja, Karneval ist vorbei. P. hängt noch in dem Breughelschen Bild fest. P. sieht Narren ihrer Wege gehen, ihrer historischen Aufgabe nachgehen, sie demonstrieren auf seiten des Karnevals und auf seiten der Fasten. Übrigens, auch Schnecken sind ein Teil der Schöpfung.

Die Fasten sind im Plural gekommen. Die Narren aber auch.

Und wer zieht direkt hinter der personifizierten Frau Fasten her? Die Leprakranken mit ihren hölzernen Klappern. Sie klappern, damit die anderen Abstand halten. Auf Breughels Bild laufen sie mittendrin. Ja, P. und Gramann sind melancholisch in diesen Tagen. In jeder Melancholie liegt auch Ironie. Ah, diese freundliche alte Bekannte.

Koordinaten: 2.350.399 (Zahl laut Covid-19-Dashboard des Robert-Koch-Instituts vom 17. Februar 2021). Genesene: ca.2.141.400 (vom RKI geschätzter Wert laut Lagebericht vom 16. Februar 2021).
* Walther von der Vogelweide. Der Kampf zwischen Karneval und Fasten von Pieter Breughel dem Älteren. Dankenswerterweise in der Wikipedia aufgeführte Liste der Bilder des älteren Breughel.
** Screenshot liegt P. vor.
*** Ja sicher, das beurteilt P. einfach so.

Kranz oder Krone
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