Am Morgen auf dem Balkon sieht P. ein Insekt auf dem Rücken im Laub der Zistrose liegen. Das Tier mit der Wespentaille kann eine Wildbiene sein. Die Nacht war kalt. Lebt das Tierchen? Der Unterleib der mutmaßlichen Wildbiene hebt und senkt sich schnell. Ihr Gesicht ist glatt und farbig gemustert. So schön. So frisch.
P. holt den Fotoapparat.
Dann übersteigt die Faszination die Lust am Abbilden. Darf ich erschrecken, was vielleicht grad stirbt? Vielleicht grad geboren wird? Das Tier umarmt mit den Vorderbeinen die langen Fühler am Kopf und streicht sie aus. Dann atmet es wieder. So schnell! Darf ich erschrecken, was so rasch atmet?
Poliander: Komm mal schnell, schau mal.
Gefährte: Was denn?
P. Ja, zieh mal den Bademantel an, komm!
G.: Gut.
P.: (ist inzwischen überzeugt, den ersten Lebensminuten der fertigen Biene beizuwohnen)
G.: (kommt auf den Balkon)
P.: Hier, Wildbiene!
Biene: (erhebt sich unvermittelt und fliegt davon)
G.: Wildbiene? Wo denn?
P.: (deutet ins Unbestimmte)
Nur wenig später findet P. an einem Stengel der Pflanze das abgelegte Kleid der Entschwebten.
Das Kleid wirkt zerknüllt und zerrissen, doch die Hüllen der Beinchen sind im Ganzen abgestreift. Das Metaphorische des Vorgangs übersteigt die morgendliche Gefühlkapazität.
Ach, einfach mal was wünschen. Viel Glück, junge Entschwebte!
Koordinaten: 125.098 (Zahl laut RKI vom Zeitpunkt 14. April 2020, 0 Uhr, online aktualisiert um 8.15 Uhr), Genesene : 64.300 (vom RKI geschätzte Zahl laut Lagebericht vom 13. April 2020)
Foto: © Ulrike Gramann