Polianders Zeitreisen

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Illusion und Fremdheit

15.03.2018 · poliander

Züge fahren ab.

Manche Züge sind schon abgefahren.

Auf dem Bahnsteig: sitzen im Zug, warten, dass er fährt. Spürt zuerst der Körper das Fahrgestell anrucken, sieht zuerst das Auge, wie das Bild im Fenster sich verändert? Blick hinaus: Dinge geraten in Bewegung. Äh, welche jetzt?

Wenn das Schiff am festen Strande
     hinfährt auf dem Wogenpfad,
Glauben die im Schiffe manchmal,
     was da fährt, sei das Gestad’.
So auch wir, deren Schicksal
     im Vergehen nur besteht,
Glauben doch auf unsrer Reise:
     Wir bestehen; die Welt vergeht.
(Dschalāl ad-Dīn ar-Rūmī)  

P. stimmt dem kritischen Dichter für sich zu. Der Mystik, gleich welcher Färbung, ist P. still zugeneigt. Leise saß P. damals in Erfurt an Sommermittwochabenden in Meister Eckhards Kirche und lauschte der Orgel. Und einmal zitierte ein Prediger den Meister, der habe geschrieben: Und wenn einer in Verzückung ist in einem der Himmel und darin Paulus gleich, und da käme ein Armer an die Tür, um einen Teller Suppe zu bitten, dann möge der Verzückte die Verzückung lassen und gehn und dem armen Menschen die Suppe geben. Und als P. das hörte, schaute P. zu den Trümmerfenstern. Farben waren geblieben, als die Bilder im letzten Krieg in Trümmer gingen.

P. schaut zweifelnd und kritisch auf sich selbst. P. schaut ärgerlich auf die, die sich umstellt fühlen, weil andere ärmer sind als wir, bedroht in ihrer Freiheit und an Leib und Leben. Dabei wollen doch alle das Beste für sich und die Ihren, wie können wir es andern verdenken, dass die auch nichts Anderes wolln. Die größte Angst vor den Fremden haben, die gar keine kennen. Wir haben Freiheit nicht immer gekannt, doch wir verfügen über die Gabe, ihre Sprachen zu lernen.

Man kann es auch anders sagen:

Wenn Ihr Schiß habt vor der Freiheit, geht zurück in euren Stinkstall und laßt euch verwursten.
(F.K. Waechter)

Koordinaten: März 2018, Bundesrepublik Deutschland.

Erregung
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