Polianders Zeitreisen

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Füchsischer Januar

31.01.2017 · poliander

straßenfuchs

Eleganter Läufer Straßenfuchs.

Januar, alle husten. “Ein Rosinenbrot bitte”, sagt der Mann beim Bäcker, und die Frau an seiner Seite ergänzt: “Ohne Rosinen!” Der Bäckereifachverkäufer zuckt nicht mit der Wimper. Ich drehe mich nicht um, um zu schauen, wie Mann und Frau aussehen, sondern nehme das Wechselgeld und trage mein Vollkornbrot nach Hause.

In der Stadt ist es trüb, Schnee fällt und schmilzt  wieder. Wir üben hier Informationsmanagement: Man darf auch dann über das Wetter schreiben, wenn zahlreiche BewohnerInnen der Stadt oder Region ihren Emotionen folgen, ohne sich der politischen Himmelsrichtung zu vergewissern, in die sie sich wenden. Wir hören morgens die Presseschau und abends “Der Hintergrund”, und am Sonntag lesen wir die Zeitung ganz durch und streiten miteinander über die Artikel. Wir sind gern uneins, aber wir sprechen nicht von “Lüge”, wenn wir bloß Irrtum für möglich halten. 

Gegen Mittag stehe ich vom Schreibtisch auf und schau aus dem Fenster. Vom Hof gegenüber kommt der Fuchs, er steigt durch die Lücken zwischen den Latten des Hoftors. Sein Winterfell bauscht sich, doch darunter ist er schlank und passt durch die knapp handbreite Abstände. Der Fuchs beobachtet, was auf der Straße vor sich geht. Erst als der graue Wagen eine Parklücke weiter ist, schaut der Fuchs nach links und rechts und läuft herüber zum Tor, das in den Garten unseres Mietshauses führt. Dort liegt die Wurst, die einer ihm hinlegt, um sich am niedlichen Fuchs und der eigenen Großzügigkeit zu ergötzen. Ein Stadtfuchs findet in jeder Jahreszeit genug Futter, Mäuse und andere kleine Säugetiere, Vögel, auch Tauben, manchmal Würmer, er nimmt Kerne, Nüsse und was sonst aus den Futterhäuschen fällt. Im Sommer fände man, schaute man einem Fuchs in den Magen, auch oft Obst darin. Gäbe es in unserem Garten zu wenig Futter für den Fuchs, zöge er weiter, ohne zu zögern, tiefer in den Stadtsüden hinein, wo die Gärten größer und die Würmer fetter sind. Der Fuchs weiß nicht, was gesunde Ernährung ist, drum verschmäht er die gesalzene Wurst nicht, wenn man sie ihm hinlegt. “Der Fuchs hat Hunger, genau wie Sie!”, sagen die Leute, denen niemand beigebracht hat, dass es Füchse schon lang vor den Menschen und vor der Erfindung des Industriewürstchens gab. Göttliche Zeiten für Füchsinnen und Füchse, in denen die Menschen noch trial and error trieben, um satt zu werden. Heute – na, Sie wissen schon.

Der Fuchs ist ein Kulturfolger, das unterschiedet ihn von vielen unter uns Menschen. Wenn schon das leicht verfügbare Wissen über Füchse so gering geschätzt ist in der deutschen Großstadt, wie steht es dann mit sonstiger Faktenkenntnis? Liebe Kolleginnen und Kollegen Recherchierende und Schreibende: Das Faktische stammt nicht von der Post!

Ich spreche ein Gebet für die Gesundheit des Stadtfuchses, werfe Lebensmittelabfälle, die mir im Garten vor die Füße fallen, in die Mülltonne und schließe die Müllhaustür. Fürs Faktische halte ich mich an die Fakten.

Koordinaten: Füchse in der Stadt.

Begegnung
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