Polianders Zeitreisen

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Heute, am 8. März

08.03.2017 · poliander

… hielt die Bäckerin P. ein Plätzchen in Herzform hin: „Zum Frauentag!“ P. dankte: Bis Ostern nichts Süßes, überlegte, dann: „Und ist es nicht ein Kampftag?“ Die Bäckerin: „Aber nicht doch, wär ja schlimm.“

Ja, schlimm, dachte P., zahlte, nahm das Brot und ging auf die Straße.Wie damals in der DDR: Am 8. März bekamen wir Blumen und was Süßes zum Kaffee. Von den Kollegen, die uns auf die Brust starrten an dem Tag wie sonst auch. Dachten wohl, die Brust würde noch besser, wenn wir mehr Süßes äßen oder uns paar Blumen dran steckten. P. mochte die doofen Nelken nicht, dachte P. auf dem Weg zurück zum Schreibtisch, hatte null Bock auf was Süßes.

In welcher Welt lebst du denn, Bäckerin?, dachte P. Aber tat nicht die Bäckerin auch nur ihre Arbeit? Plätzchen für die Kundinnenbindung, denn die Biobäckerei erwartet, dass ihre Kundin weibliches Bewusstsein zeigt: was Süßes zum Frauenfrühstück statt Kampf der Geschlechter.

In welcher Welt lebst du denn? Noch immer verdienen Frauen in der Bundesrepublik weniger als Männer. „Nur sieben Prozent“, rechnen die aus, die stets alles kleinrechnen. Doch will, wer eine Million hat, auf 70.000 verzichten? Und braucht nicht die, die 1.000 hat, die 70 um so mehr?

In welcher Welt lebst du? Wer je zur Schule ging, weiß, dass Mädchen besser lernen. Nur wenn man sie mit Gewalt daran hindert, lernen sie nicht. Deshalb sind zwei Drittel von 780 Millionen AnalphabetInnen dieser Welt Frauen. 700 Millionen Frauen auf dieser Welt leben in Zwangsehe, 250 Millionen von ihnen waren nicht älter als 15, als man sie zwang. Plätzchen helfen da gar nicht.

Heute las P., dass jene Frau, die seit einiger Zeit propagiert, dass Opfer von Vergewaltigung nicht Opfer dieser Gewalttat wurden, sondern sie „erlebten“ (wie der Vergewaltiger auch, nur halt aus etwas andrer Perspektive), also dass diese Frau nun ihre Wortwahl bereue. Eine Autorin übrigens, die P. für ihr erstes, ein kluges Buch schätzte.“Opfer“, meint sie nun, sei doch nicht das geeignete Wort für das Opfer einer Straftat. Wie wäre es mit Überlebende, Frau? Es war ein Mann, der kommentierte: „Ach, dann haben Mordopfer wohl ein letztes großes Erlebnis gehabt?“ Soviel Klarheit hat, wer sich nicht anbiedern will. Trauriges Lachen in der Runde.

Frauen brauchen keine Plätzchen, sie brauchen Platz. Ende dieser Ansage.

 

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