Polianders Zeitreisen

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Raumstation im Kosmos der Klänge

06.12.2014 · poliander

Klangstuhlrückenreihe

Dreimal Rückgrat und Knochengerüst für das spätere Klanggestühl warten am Fenster. Foto: Ulrike Gramann

Augen zu und losfliegen. Die Geräusche Berlins bleiben zurück, wenn ein Klang hinter P.s Rücken beginnt, zwischen den Schulterblättern startet, aufwärts wandert, sich ändert, in Bewegung umsetzt, weil die Fläche, auf der P. sitzt, beginnt zu schwingen, die Lehne vibriert. Oben singt eine Melodie. Das hier ist etwas vor, nach oder neben der Musik: elementar, aber ohne Gewalt. Der Kosmos ist weit, aber nicht leer. Dass er tönt, wussten schon die Alten. Klänge kommen nicht aus dem Nichts. Herr Deutz spielt die Saiten, die über die gewölbte Rückseite des Klangstuhls gespannt sind, auf dem P. sitzt. Seine Erfindung (P.s doch nicht!, P. hat Herrn Deutz‘ Werkstatt gefunden, nicht erfunden), ein Stuhl, der singen kann. Die Instrumente hier heißen, als kämen sie direkt aus Gägelow (Verzeihung, kleine Abschweifung, kennt man von P.):  Tambura, Klangrohr, Klangliege, Klangwiege, Monochord, Chrotta, Lyra und Doppelkalimba. Ihre Oberflächen aus hellem Holz, aus Bergfichte, Laubhölzern und Bambus sehen aus wie etwas, da P. gern berühren möchte. Leise singen, dann fort, denkt sich P. Klänge produzieren einen Sog, sagt Herr Deutz, und dann können wir das Denken lassen. Große Sehnsucht danach, große Angst, sowieso bei P., denn P. hält sich hauptsächlich und meistens im Kopf auf. Manchmal steckt P. den Kopf zu den Sternen.

Herr Deutz hat so viel gelernt: Klavierspiel, Sozialpädagogik, Musiktheorie, Instrumentenbau. Das ging so Jahre und Jahre, vor, nach und während er arbeitete, mit Menschen, an Instrumenten, mit Instrumenten und Menschen. Er begegnete dem Monochord, danach wurde etwas anders, versteht P., Herr Deutz wurde vom Pädagogen zum Instrumentenbauer. Um mit einem Monochord zu spielen, muss man nicht… also um mit Herrn Deutz Instrumenten zu spielen, die viele Namen und Gestalten haben, braucht man keine musikalische Ausbildung, muss nicht einmal „musikalisch“ sein im landläufigen Sinn. Ein offenes Ohr ist von Vorteil, ein offenes Herz auch. Es kann babyleicht sein. Ein Baby kann in der Klangwiege liegen, wiegen, Klänge fühlen, die von den Saiten der Wiege kommen, aus dem Holzraum der Wiege, aus dem Körper dann auch. (Der Mensch ist auch ein Klangraum, denkt sich P.) Vielleicht fällt es Erwachsnen schon schwerer, in den Klängen zu wiegen, mit ihnen zu fliegen. Das Wort lassen (bei dem P. gleich an den Meister Eckhart erinnern möchte) gibt einen Hinweis. Weglassen, was den unermüdlichen Verstand festbindet, für einen Moment, kommt dann das Ohr ins Spiel, kann das Herz mitspielen. Hören und sehen: Der Kosmos ist nicht schwarz, sondern voller Licht.

Einen Kosmos aus Klängen schaffen, ist auch ein Beruf. Herr Deutz hat ihn zur Perfektion gebracht, er baut die Instrumente und erfindet sie gleich selbst, er kann die Klänge machen, bei denen das Herz aufgeht, udn er kann sogar helfen, sich selbst eins zu baun. Deshalb besuchten Gramann und P. Herrn Deutz im Herbst in seiner Werkstatt in der Christburger Straße in Berlin. Wer mitfliegen will, liest heute:

Ein Kosmos aus Klängen
Zwischen Pädagogik, Handwerk, Musik und Therapie fand Bernhard Deutz einen Traumberuf

in der Tageszeitung ND vom 6. Dezember 2014
oder direkt hier auf der Website der KlangWerkstatt Deutz.

Koordinaten: 52° 32′ N, 13° 26′ O, KlangWerkstatt Deutz, selber hören für Neugierige.

 

Begegnung
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