Ohne Zeugung kein Weihnachten, sagen wir mal, kein Weihnachten ohne Sex, aber auch kein Weihnachten ohne Zahl. Poliander verbummelt, Poliander Verspäterin, Poliander zeitvergessen, Poliander Herz in Wolken, Kopf in Manus Skript, Mathematikbewunderin, Buchstabenverdreherin. Ach was, Mitte Januar, da ist’s kaum vorbei, geht sicher gleich wieder los.
Zahlen lesen: 8. Dezember, Mariä Empfängnis: Konnten sie nicht rechnen? Gings schneller, weils heilig ging? Wie?Falsche Frage, Wer?, muss es heißen. Maria war es doch, viele Jahre, ehe wer an Weihnachten dachte, die von der alten Anna und dem alten Joachim gezeugt wurde, denen ein Engel befahl, sich in Jerusalem zur goldnen Pforte zu begeben, aus ihrem Haus, von seinen Wüstenweidetieren, einander zu begegnen, dort, mitten in der Stadt, manche sagen auch, an einem andern Tor sei es gewesen. Doch in jedem Fall Maria war es, die am 8. Dezember empfangen wurde. Das Kind dann, Maria, kluges Mädchen, wie die Alten wussten, nichts da Ancilla oder sonstwie latinisierte Magd und Dienerin, ein Mädchen mit Erkenntnisinteresse, eine gelehrte Jungfrau, die in Büchern las. (Schauen Sie bitte links.)
Weihnachten hingegen, das geht im Frühling los, mit der Präfiguration, der Typologie, der Empfängnis, die Maria erlebte, am 25. März, als der Engel, ohne den es in diesem Zusammenhang nicht geht offenbar, der klugen jungen Frau erschien, die in Büchern vertieft war. Auch davon gibt es Bilder, aber es ist angebracht, dass Sie uns glauben, Poliander und mir. Und wenn nicht (unwilliger Hinweis), schaun Sie halt selbst, dann aber wenigstens bei dem Richtigen, auf der Verkündigung des Meisters von Flemalle, und wenn Sie schon dabei sind, beachten Sie, dass die Bücher, die Maria hier zur Hand hat, reisefreundlich und handlich mit ihrer Schutzhülle verbunden sind. Sie konnte sie immer bei sich haben. Kein Wunder war es, dass bei der so ins Lesen Vertieften die conceptio per aurem geschah, geschehen musste, und auch das mag sie noch genug geschreckt haben in der überwältigenden Plötzlichkeit, in der eine Wahl auf sie fiel und mit erschreckender Konsequenz ausgeführt wurde. Oder, wenn Sie es im schönen Stil mögen, reisen Sie nach Erfurt, in der Predigerkirche sehen Sie eine Maria und einen Verkündigungsengel, dessen laszivem Hüftschwung werden Sie wohl glauben, worum es da ging.
Dann erst einmal geschieht lange nichts, bis zum Advent, dessen Beginn der Kirche zwar bekannt ist, der Öffentlichkeit jedoch seit Beginn der industriellen Lebkuchenproduktion entfallen scheint. „Marias Bauch schwoll ohne Eile“, schrieb Saramago über Mariens Schwangerschaft, die unserer Phantasie überlassen ist (und die Kirche dankte es ihm nicht, dass er die seine dazugab.) Von dieser Schwangerschaft ist überliefert die Begegnung mit ihrer Base Elisabeth, ein Datum, für das die Kirche seit dem 13. Jahrhundert den 2. Juli vorsah, erst in den 1960er Jahren wurde diese Begegnung auf den 31. Mai vorverlegt, weil Johannes Geburtstag der 24. Juni ist, wodurch er, der spätere Täufer, zum Siebenmonatskind wurde, denn Elisabeth soll bei jener Begegnung im sechsten Monat gewesen sein, und das Kind hüpfte in ihrem Leib, als es die schwangere Maria wahrnahm.
Passgenau neun Monate nach dem 25. März, am 25. Dezember kommt das Kind zur Welt, nicht am heiligen Abend, wie viele glauben. An den Weihnachten, den heiligen Nächten, erkennt man noch, dass die Feste einst alle am Vorabend begannen, wie der jüdische Festtag am Vorabend beginnt, so bereitet sich Weihnachten am 24. Dezember vor, ursprünglich war der Tag ein Vorbereitungs- und Fasttag. Die heilige Nacht dann ist eine Nacht, in der, so sagen manche, die Tiere zu sprechen beginnen. Gemeint ist: in unserer Sprache. Doch Vorsicht, sie zu belauschen, sie sagen auch, das bedeute Unheil. In der frühen Kirche war aber nicht der 25. Dezember Jesu Geburtstag, sondern der 14. Nisan, ein Tag im Frühling, an dem Jesus später auch sterben sollte. Verschweigen wollen wir nicht, dass auch andere Daten in Betracht kamen. Was am Himmel geschah, haben Poliander und ich uns nun schon oft zur Jahreswende im Planetarium deuten lassen: So hübsch der Schweifstern auch sein mag, beliebteste These bei den Berliner Astronomen ist die einer großen Konjunktion, einer ungewöhnlichen Nähe von Jupiter und Saturn. Und was die bedeutet: dass ein König der Juden geboren wird, wofür diese Planeten (Jupiter, Saturn) stehen.
Schweifstern-Wunschdenken, so schweifen wir ab. Denn Weihnachten wird nach dem 25. Dezember noch mehrfach gefeiert, die meisten orthodoxen Kirchen feiern Weihnachten am 6. Januar, was an Kalenderfragen liegt. Zugleich legen sie den allergrößten Wert auf Epiphanias, den Tag der „Erscheinung“, eben jenen 6. Januar, an dem „bei uns“ die heiligen drei Könige in Kindsgestalt erscheinen und ihren segensreichen Gesang samt Einsammelns kindersolidarischer Spenden verbreiten. Andere sagen, dass es drei weise Frauen sind, die da erscheinen. Wie gern wir das haben. Auch der Wunsch, die Percht sei dabei gewesen, lässt sich nicht unterdrücken. Schlimme Vermischerinnen der Religionen, Schalk hintern Ohrn. Und am 6. Januar war es einen Hahnschrei länger hell. Darum müssen wir auch von den 12 Nächten sprechen, jenen, die man benötigt, wenn man das Mondjahr ein wenig beibehalten will (Ostern) und doch schon zum Sonnenjahr (immergleicher Jahresbeginn) übergehen. Dann nämlich braucht man jene 12 Tage und Nächte, die aus der Zeit gefallen sind, zwischen zwei Jahren, man braucht und konstruiert diesen Spalt in der Zeit, in der allen Gewalten Tür und Tor geöffnet sind. Sie ziehen vorbei in ihrer Schönheit und Fürchterlichkeit, einen Blick aufs Kindel werfend und sich an Nüssen und allerlei Naschwerk labend. Ach, wie glücklich sich da Glaub und Aberglauben mischen.
Das nächste große Datum ist der 2. Februar, Mariä Lichtmess, da ist es eine Stunde länger hell. Was das mit Weihnachten zu tun hat, lest doch bitte selbst nach, liebe Freundinnen, hier zum Beispiel. Ende von Weihnachten, Beginn des Frühlings, wahrhaftige Rückkehr des Lichts.
Koordinaten: Rätsel des Weihnachtsdatums, kurzweilig und interessant in der FAZ zu lesen.