Polianders Zeitreisen

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Hunkelers Unbotmäßigkeit

03.12.2010 · poliander

Taschenbuchliebe

Taschenbuchliebe

Poliander raucht nicht nur feministischen Feinschnitt, sondern stopft sich auch gern starken kriminalistischen Tobak ins Pfeifchen. (Ja, genau jenes Pfeifchen, das die Möchtegernkünstlerin, die Polianders Gefährtin mal war, im Schatten hoher Dünen rauchte, wenn der Ostwind drückte.) Poliander hört gern Radio. 2008 hört Poliander das Hörspiel in vier Folgen “Hunkeler und der Fall Livius”. P. verpasst die vierte Folge. Den Kriminalroman gibt es zu diesem Zeitpunkt nicht zu kaufen. Doch der Mord, der in einer Basler Kleingartenkolonie geschah, die schon zum Elsass hin liegt, auf französischem Hoheitsgebiet, lässt nicht nur Kommissar Peter Hunkeler keine Ruhe, sondern auch P. nicht. P. liest ersatzweise “Hunkeler macht Sachen”. Dann endlich: das Buch. P. ist überrascht, P. ist zufrieden, P. hat bekommen, was P. wollte. Dreiländereck, Ermittlungen in die Geschichte hinein, Auflösung aus der Geschichte heraus.

Poliander liebt es, von Ermittlerinnen zu lesen. Hunkeler hingegen ist ein starrsinniger, längst nicht mehr junger Mann, der geht langsam auf sein Ziel zu, allerdings nicht gemächlich. Der weiß mehr, als er wissen kann. Der blufft. Der nimmt sich frei, der ermittelt im Elsass, was er als Schweizer Polizist nun mal nicht darf, der fährt nach Baden-Baden und legt sich in die Sauna und schaut den Leuten beim Schwimmen zu, der nimmt Urlaub und ermittelt trotzdem, der wird suspendiert und ermittelt trotzdem, und bitteschön!, sagt Poliander, ob das realitätsnah ist, wie der sich durchsetzt in der Polizei und wie ihn der Staatsanwalt anbrüllt und ob überhaupt der Staatsanwalt ihm was zu sagen hätte und all das, das lässt P. doch kalt. P. liebt auch Hunkelers Freundin Hedwig, die abreist, wenn Hunkeler nur noch arbeitet, die nach Colmar fährt und sogar Paris, mit ihrer Freundin und ohne ihn, und wenn er nicht bis dann und dann, Sie wissen schon, sagt P.: Dann würde sie sich sogar von ihm trennen. Da geht dann bald die Ermittlung dahin, wo sie hin soll, und ein glückliches Ende ist nicht mit der Ermittlung, aber mit Hedwig und Hunkeler schon. Denn Hedwig verbindet Hunkeler das Ohr, aber hält ihm nicht das Händchen, und wenn Hunkeler fragt, warum es immer noch klappt, so schön, mit ihr, sagt sie: “Weil wir uns lieben, Dummkopf.” Das ist was Reelles, denkt die Leserin dann. Realitätsnähe gibt es in allen Romanen mit Hunkeler genug, über diese Gegend, Schweiz, Baden, Elsass, und über die Leute, die da wohnen. Bitteschön, sagt Poliander, lass doch den Staatsanwalt brüllen, das ist nicht wichtig! Wichtig ist, nicht zu schnell zu lesen, damit es immer noch einen Roman mit Hunkeler gibt, den man bald lesen kann.

Koordinaten: Basel 47° 33′ N 7° 36′ O, Hansjörg Schneider über Hunkeler, Hörprobe “Hunkeler und der Fall Livius”

Begegnung
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