Polianders Zeitreisen

Polianders Zeitreisen header image 1


Ingenieurswerk über der Hafenstadt

05.10.2010 · poliander

Le viaduc

Le viaduc

Dass es 58 Meter hoch ist, wollen Sie vielleicht wissen. Dass es  285 Meter lang ist, wollen Sie vielleicht wissen.  Seit 1864 fahren hier die Züge auf der Strecke Paris – Brest. Brest im Westen ist gemeint. Das wollten Sie doch wissen? Ja, Sie können hier aussteigen.

Nach Morlaix kommen, vom Meer, müde, vom Laufen, vom Schwimmen, vom Autofahren. Wenn Sie ein Auto dabeihaben, parken Sie es am Hafen. Gehn Sie, das Handtuch über der Schulter, rüber zum Hotel du Port.  Am Zebrastreifen ruft eine aus dem Auto, ob das hier die Route nach Carantec ist. Mais oui!, sagen Sie, als wären Sie daheim. Aber der Strand, wolln Sie noch rufen, ist schöner in Plougasnou, in St. Samson, und bitte, versäumen Sie nicht, zum Pointe de Primel zu wandern, dort– Der PKW mit der Dame darin ist längst verschwunden. Im Hotel du Port ist ein Zimmer frei. Es wird Ihr Lieblingszimmer auf dieser Reise, obwohl es klein ist und ohne besonderes Einrichtungsraffinement. Es ist nur, dass nichts fehlt und nichts zuviel ist. Ein Bett für zwei, eine Decke, eine Dusche, ein orangeroter Vorhang am Fenster. Die Frau am Empfang trägt ein feuerrotes Kleid und erklärt die Stadt mit Pfeffer. Und Sie gehen gegen Abend zum Viadukt, nicht zu spät, denn nachts ist das Tor geschlossen. Und vom Zwischengeschoss, wo man geht, schaun Sie dann mit Schwindel hinunter, doch mit noch viel mehr Schwindel nach oben, in die erleuchteten Bögen. Keine Sorge, versehentlich fällt man hier nicht runter. Aber es ist seltsam, auf Höhe des flamboyanten Turms von St. Melaine zu sein und den Leuten aufs Dach zu schaun und in die Regenrinne. Es regnet nicht oder nur kurz, eine Husche, schon ist sie vorbei, und Sie wischen die Tropfen vom Brillenglas.

Im Dunst

Im Dunst

Ja, das Licht. Und ein Glas trinken und dem Wirt zuschauen, der aussieht wie ein linker Kabarettist von daheim, nur netter, viel netter, und zwei Mädchen kommen rein, Enkelinnen wahrscheinlich, kriegen ein Eis und kichern und stehen vor Ihnen und schauen Ihnen zu, und dann fühlen doch Sie sich wie ein Eindringling und lächeln verlegen vor diesen Mädchen und trinken schnell aus. Kinder fotografiert man nicht, als Touristin. Und dann am Hafen langgehn bis zur Schleuse. Es ist still, auf einem Boot sitzt sie innen und schaut auf ein Display, und er sitzt draußen, das Buch in der Hand und das Rotweinglas vor sich, und wenn Sie zurückkommen, ist er eingenickt, und sie sitzt immer noch im hellen Salon vor ihrem Laptop. Auf der andern Seite des Hafens sehen Sie ein hell leuchtendes Lokal. Ein Jugendlicher, barfuß, läuft da rüber. Der Mond kommt hoch. Leiser Nebel. Zurück im Hotel. Und jetzt ist schon Nacht, vergessen Sie nicht, den Pointe de Primel zu träumen. Morgen nehmen Sie den Zug.

Koordinaten: 48° 35′ N, 3° 50′ W, höchster Punkt der Stadt: 104 Meter über NN, im Norden des Finistère

Schönste Stellen
· · ·