Polianders Zeitreisen

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29.03.2010 · poliander

Poliander liest:  Erinnerung an eine Internatszeit in Südthüringen.

Endlich, denkt Poliander, graben sie da, wo alle was vergraben haben, sie, die Journalistin, in den siebziger, achtziger Jahren, sie, Poliander, in den sechziger, siebziger Jahren, als es noch die alte Lehrerin gab: Wenn die Pausenaufsicht hatte, mussten wir Grundschulkinder die Pause im Kreis gehen, eine lange Weile war das, bis es klingelte. Als die alte Lehrerin sich einmal wegdrehte, explodierte der Kreis dort, wo auch Poliander steckte, in einen raufenden Haufen, Poliander kratzte und biss. Ich bewunderte P. und kriegte es ab. Mit dem Schlitten flog ich wie P. über einen festgefrorenen Erdhaufen am Rodelberg, an den die Jungen sich nicht trauten, es krackte im Rücken, Poliander wäre das nie passiert. Ich finde die Stelle mit der Hand. Poliander war eine Anstifterin, ich war es selbst. Auf der Oberschule himmelte ich die Mathematiklehrerin an, die den Bauch vor sich her schob und nicht verriet, wer der Vater war, Poliander und ich hätten zu gern gefragt, warum sie nicht wegging aus der Kleinstadt am Bahndamm, die Züge fuhren doch. Wir hielten den Mund. Sie sollte nicht weggehn. Böse Jugendliche, die den blonden Sportlehrer unter der Hand “hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder, flink wie ein Windhund” nannten. Wo hatten die das bloß her? “Unter der großen Klappe leidet man immer selbst am meisten”, sagte eine Autorität im Umfeld. “Quark”, schrie Poliander, “große Klappe reitet!” Sie meinte “rettet”. Mir gefiel der Versprecher. Im Kino Babylon, später, in Berlin, sah ich “Jadup und Boehl”, nur zweimal gezeigt, dann von den Autoritäten versenkt. Im alten Osten verbreitete sich die Nachricht schnell, die über die Bebilderung der maroden Moral im real exist. Soz. meine ich, das Kino war voll. Am Ende steigt ein Mädchen auf den Turm und sieht übers Land. Man muss nicht immer dran denken, man muss nicht immer wegdenken.

Koordinaten: 50° 53′ N, 11° 52′ O und 330 m über dem Meer.

Ausgrabung
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