Polianders Zeitreisen

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Das Katzenglück

16.08.2009 · poliander

Foto: Frau Scharff

Foto: Frau Scharff

Es fing mit dem Winter an. Es war Winter, es war Wetter, bald nach Neujahr, ich fuhr nach Leipzig. Poliander saß mir im Nacken, arbeiten, sagte P., weniger zaudern. Ich kränkelte, P. ließ es nicht gelten.
Vom Bahnhof ging ich zu Fuß, sie, die ich sprechen wollte, hatte gesagt, ich könnte zu Fuß gehen. Ich ging mit der Kirche ums Dorf. Typisch, sagte Poliander, mein Schatten, der an mir hing: Das machst du extra, Eindruck schinden, zerrauft ankommen, wie wäre es mit Löchern in den Schuhn?
Ich hatte eine Flasche Wein von der Art, die wir in den zwölf Nächten getrunken hatten. Typisch, sagte P., für den roten Spanier bist du nie zu krank. Das war jetzt aber richtig gelogen, denn ich war gar nicht richtig krank, ich verbot P. den Mund und klingelte an der hohen Tür. Da stand sie, die ich befragen wollte, und vier Katzen rannten in ein Zimmer. Die Frau rief sie mit ägyptischen Namen, Namen von Göttern. Zwei waren schwarz, zwei gestreift, eine von denen eine Glückskatze. So sagte sie. Glückskatzen sind Katzen mit drei Farben.
Sie, die ich sprechen wollte, war so aufmerksam, womöglich würde sie sogar P. ein Glas hinstellen. Die Katzen strichen um den Tisch, eine sprang drauf, Müsst ihr mich blamieren?, sagte nachsichtig ihre Herrin. Alles war mild hier, fein und von Hand gemacht, wir verglichen unsere Leben. Poliander hielt endlich den Mund, P. ist eine Beschatterin, aber wenn sie die Geschichten anderer Leute zu hören bekommt, wendet sie ihre Aufmerksamkeit von mir ab. Sie lebt von Geschichten, könnte man sagen. Ärgerlich, dass P. selbst nicht schreibt, nichts notiert, meine ich. Wie viel genauer könnte ich fragen, wenn P. mir das Notieren abnähme, aber sie ist stolz, keine Sekretärin, sagt sie.
Die Katzen mit ihrem sachten, starken Atem brachten einen Schmuck in Bewegung, der an der Wand hing, sie gingen wild auf langen Beinen und mit tiefen Schritten, aber behutsam, nichts fiel. Die Frau der Katzen handelt mit Schmuck und andrem magischen Ding, doch sie ist auch eine Frau der Worte, die in Büchern geronnen sind. Später schwang die Tür auf zur Kammer, in der ich schlafen durfte, die Katzen wies sie von der Schwelle. Draußen ging der Leipziger Himmel vorbei, P. nickte im Flechtstuhl, die Katzen im Flur hatten einen Baum mit Fächern, in denen sie liegen konnten, eine immer über der andren. Aber auch sie schliefen nicht, das ist ihr Wesen, am Morgen saßen sie vor den Türen, zwei vor dem Zimmer ihrer Frau, aufrecht wie Bastet, zwei vor der Kammer. Als wir das Interview machten, legten sie sich breit auf mein Manuskript. Sie liegen gern auf Papieren, hörte ich ihre Herrin sagen. Sie klappte ihre Geschichten für mich auf, es war ein Glückstag.

Zurück in B.: Mir träumte von kleinen Katzen, erst sah ich zwei in meiner linken Hand, dann vier in der rechten. Sie reckten ihre Beine und dehnten sich vergnügt. Noch nie hatte ich so schön von Katzen geträumt. Poliander strich sich zufrieden die Unterlippe.

Koordinaten: Frau Scharff, Leipzig 2009
Lesen: Ulrike Gramanns Porträt von Frau Scharff, die MonaLIESa gründete, die Magie der schönen Dinge kennt und mit Katzen spricht, erscheint am 19. September im “Neuen Deutschland” und ist hier nachzulesen.

Begegnung
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