Polianders Zeitreisen

Polianders Zeitreisen header image 1


Kranz oder Krone (49) – Kopf frei bekommen im Homeoffice

05.05.2020 · poliander

Das war doch im letzten Sommer, an einem dieser vielen heißen Tage. Der Kopf wurde ganz frei auf diesem Feld. Da gab es sogar Feldlerchen, stellen Sie sich das mal vor! Wann hat man zuletzt eine Feldlerche gehört?

Was könnte schöner sein, als am Rande eine sonnendurchglühten Feldes auszuruhen, während die Feldlerche irgendwo in den Lüften ihr lautes und rasches Gezwitscher hören lässt, also irgendwo weiter oben, wo die Lüfte luftig sind selbst an heißen Tagen, da singt sie, und die schnellen Töne sinken rasch herunter auf diejenigen, die im Staub des Feldes staunend zuhören. Die Feldlerche ist laut genug, selbst bei denen anzukommen, die auf dem Feld arbeiten.

An jenem Sonnabendmittag im Frühsommer 2019 arbeitete niemand auf dem Feld.

Der Kopf wird frei und auch das Herz, während der Körper heiß durchglüht ist von Sonne und während die Feldlerche singt und dabei hinaufsteigt und sich in Richtung Feld wieder fallen lässt. Kennen Sie die Feldlerche? Aus der Nähe sieht man auch ihre tolle Frisur. Hier schauen und hören.

2019 war die Feldlerche der Vogel des Jahres, und im Jahr 1998 war sie das schon einmal. Manchen Leuten gilt die Feldlerche als „unbedroht“. Dabei hat ihr Bestand sich seit 1998 um ein Viertel vermindert. Dass das nicht so weitergeht, dafür kann jede etwas tun und jeder. Zum Beispiel: Dinkelbrot essen. Denn Dinkel ist für die ökologische Anbauweise besonders geeignet. Dinkel wird hier in Mitteleuropa angebaut. Wo Dinkel wächst, wird weniger gedüngt und wird weniger Gift in den Boden gebracht als beim Anbau von Weizen. Zum Beispiel. Die Landwirtschaft ist weniger intensiv auf solchen Feldern, und das liebt die Feldlerche. Ökologische Anbauweise, breite Feldränder, Felder die mit Hecken durchsetzt sind, Gebüsch, Bäumen, eine Kulturlandschaft, die Unterschlupf gewährt, liebt die Lerche. Intensive Landwirtschaft, vor allem den industrialisierten Anbau von Mais hingegen liebt sie nicht, verträgt sie nicht. Denn ihr Nest ist am Boden, in freier, offener Land(wirt)schaft. Sie gehört zu unserer Kultur, sie gehört in die Landwirtschaft, sie gehört nicht dorthin, wo unsere Landwirtschaft Industrie ist. Denn da werden ihre Nester, ihre Eierchen, ihre Jungen überrollt. Wer die Feldlerche mag, darf sich einmal fragen, ob Energie zu sparen nicht besser ist als jede Menge Mais als „Energiepflanze“ auf unseren Feldern.

P.s Auftrag: Hören Sie in diesem Jahr einmal einer Feldlerche zu!

Also die Lerche und die Freiheit in P.s Kopf und auch im Kopf des Gefährten, die stellten sich unwillkürlich ein auf diesem Feld in der Nähe von Mechernich, dort bei Wachendorf. Die Lerche, so gesehen, könnte sehr gut in einer Feldkapelle spielen, doch so eine Band war nicht dabei, als P. und der Gefährte sich der Feldkapelle näherten. Hitze und Wind waren da, und der Himmel, den haben Sie ja gerade selbst gesehen, dort oben auf dem Foto.

Nach Wachendorf bei Mechernicht waren P. und der Gefährte nicht zufällig geraten. Halbwegs süchtige Architekturgläubige kennen dieses Dorf, weil dort die Bruder-Klaus-Feldkapelle steht. (Kleines Wortspiel, kann P. sich nie verkneifen.) Peter Zumthor hat die Bruder-Klaus-Kapelle gebaut. Sie ist eine Ikone. Naja, sagt P.: Eine kleine Ikone.

Ja, das ist Beton. Und? Und ja, es gibt einen Weg durchs Feld, da geht man schön drauf zu, auf eine spitze dreieckige Kirchtür, wie man sie zuvor nicht sah. Und es ist einfach nur so ein kleiner Turm mit einem Grundriss, der jedenfalls nicht quadratisch ist und auch nicht rechteckig. Und wenn man eintritt, ist man im ersten Augenblick im Anfang eines Labyrinths, im Wald, in einer Minimalkathedrale ohne Dach.

Es ist still.

Man kann einfach dankbar sein, den Menschen, die diese Feldkapelle gebaut haben, Bauherr und Bauherrin, Bäuerin und Bauer, einem Paar, das diese Kapelle baute und bauen ließ, aus Dankbarkeit für ein gutes Leben.

Und da haben wir dann innen kein Foto gemacht. Deshalb gibt es hier nur diese Außenansicht, über einem Getreidefeld und einem Randstreifen des Feldes, auf dem der Bauer Phacelia wachsen lässt. Darum haben wir dort nicht nur die Lerchen gehört, sondern auch viele Bienen gesehn. Das war herrlich. Nur daran zu denken, macht den Kopf wieder ganz frei. Man kann die Lerche nicht sehen, hören aber schon.

Gebet: Alauda arvensis!

Koordinaten 1: Bruder-Klaus-Feldkapelle. 50° 35′ 32,7“ N, 6° 43′ 38,4“ O, Nikolaus von Flüe, hielt die Vernunft für die größte Gabe Gottes an die Menschen.

Koordinaten 2: 163.860 (Zahl laut Robert-Koch-Institut vom 5. Mai 2020, 0 Uhr, online aktualisiert 8:20 Uhr), Genesene: 132.700 (vom RKI geschätzte Zahl laut Lagebericht vom 4. Mai 2020).

Kranz oder Krone
·