Polianders Zeitreisen

Polianders Zeitreisen header image 1


Polianders Migration

04.09.2018 · poliander

amtsgericht neustadt aisch klein

Auch Architektur wandert. Das heutige Amtsgericht von Neustadt an der Aisch, ein florentinischer Palast.

Poliander kam 1487 zur Welt. Von Geburt her hieß Poliander Johann Gramann, oder Graumann, was das gleiche ist. Er stammte wohl aus einer Handwerkerfamilie aus dem  in Neustadt an der Aisch. Die neue Ansiedlung lag in der Nähe der alten, Riedfeld, die wiederum am Flußübergang einer alten Heeres- und Handelsstraße, seit dem achten Jahrhundert wissen wir von ihr und dem fränkischen Königshof, den es dort einst gegeben haben soll. Die neue Stadt war 1487 auch schon nicht mehr ganz neu, schon zwei Jahrhunderte gehörte sie den Zollern. Und Leute wohnten da, die wohnten und kamen und gingen.

Migration nennt man das. Auch Poliander sollte ein Migrant werden. Man nimmt sich nicht vor, Migrant zuwerden, man wird’s. 

1503, mit 16, schrieb Johann Gramann sich an der Universität zu Leipzig ein. Geschätzt 230 Kilometer Luftlinie entfernt von Neustadt, knapp 300, fährt man auf heutigen Straßen, nicht ganz drei Stunden mit der Bahn. Wie Johann Gramann dorthin ging, wissen wir nicht. Zu Fuß, zu Pferd. Gedauert wird es haben, wo er übernachtete, ist unbekannt, wer ihn unterwegs bedrohte, wer ihm weiterhalf, wer ihm den Weg zeigte. Viele waren unterwegs.

Johann Gramann studierte und wurde Lehrer, dann Rektor an der Leipziger Thomasschule. Seinen Namen gräzisierte er: grau bedeutet polios, Mann bedeutet andros, so wurde aus ihm Johannes Poliander. Er war bekannt für seine schöne Handschrift. P. wird nicht müde, das zu erwähnen.

1519 trafen sich Martin Luther und Johannes Eck in Leipzig, um zu streiten. Disputa: Vom 4. Juli an stritten Eck und Luther über Gott und die Welt, den Papst und dessen Autorität, über den Willen des Menschen und die göttliche Gnade und über den Ablass. Bewaffnete schützten die Streitenden vor den Übergriffen ihrer Anhänger auf die jeweilige Gegenseite. Übergriffe waren denkbar.

Warum P. das erzählt: Auch Poliander war dabei. Seiner Schönschrift wegen hatte man ihn als einen Protokollanten gebeten, den Inhalt von Worten mitzuschreiben, Ecks Worten. Johannes Poliander wurde der Amanuensis, ein Sekretär, dem Wortsinn nach eine Hand Ecks. Johannes Polianders Geist aber migrierte im Lauf des Disputs auf Luthers Seite. So ging er 1519 nach Wittenberg und studierte erneut. Von dort kam er 1522 als Domprediger nach Würzburg.

1525, während des Bauernkrieges, wurde Johannes Poliander vom Wanderer zum Flüchtling. Er reiste nach Wittenberg, wo er, seine Hand half ihm weiter, Abschriften von Luthers Predigen fertigte. Im gleichen Jahr kehrte er in seine alte Lebensregion zurück und arbeitete als Pfarrer in St. Klara in Nürnberg. Doch nicht lang, denn Luther empfahl und Albrecht von Preußen berief ihn nach Königsberg. Er wanderte weiter, Richtung Norden, er predigte in Eisleben und traf in Wittenberg auf Luther und Melanchthon. Wohl von 1526 an arbeitete er, vielleicht schon im Jahr zuvor, in Königsberg. Er wurde mit Paul Speratus und Johann Briesmann einer der Reformatoren Preußens und baute dort das Schulwesen auf.

Spiegelungen.

Spiegelungen, eigene Geschichte, die neben Polianders Geschichte lebt.

Johannes Poliander starb 1541. Die Königsberger Universität wurde 1544 begründet und geht auf eine von Poliander gegründete Schule zurück. Seine private Bibliothek wurde der Grundstein der Königsberger Stadtbibliothek.

Das Leben ist eine Reise. Im Mittelalter, das Johannes Polianders Zeit zu verlassen begann, nannte man den Menschen auch homo viator. Auf seinem eigenen Weg ist Johannes Poliander von einem mit schöner Schrift zum Dichter geworden.

Koordinaten: 49° 35′ N, 10° 37′ O. Thomasschule. Königsberg/Kaliningrad. Nun lob mein Seel...

Ausgrabung
· ·