Am Morgen, besonders wenn die Jahreszeiten wechseln, hängen Nebel in den thüringischen Hügeln und flachen Senken, sie geben dem Laub im Herbst seine brennende Farbe. Fährt man mit dem Zug über Weimar nach Erfurt, sieht man rechterhand auf dem Ettersberg den Glockenturm von Buchenwald stehen. Auch ohne Ortskenntnis versteht man, dass dieser Turm ein Zeichen ist. Man sieht ihn auch aus den Fenstern des Zeichensaals der früheren Firma Topf und Söhne, 20 Kilometer entfernt, zum Greifen nah. Hier arbeiteten die Konstrukteure von Topf und Söhne, und wenn sie von ihrer Arbeit aufschauten, konnten sie den Ettersberg sehen, wo sich das KZ Buchenwald befand. Dort wurden ihre Produkte eingesetzt: Öfen. Sie bauten Öfen für Buchenwald, sie wurden die Ofenbauer von Auschwitz.
Man sieht den Schriftzug von der Bahn aus: Jenseits einer Lärmschutzwand, neben Polstermarkt und Gartencenter ist er auf fahlgrünem Putz zu lesen: „Stets gern für Sie beschäftigt“. Das „Sie“ der Floskel erkenne ich später auf einem Geschäftsbrief in der Ausstellung wieder. Es richtet sich an die Bauleitung von Waffen-SS und Polizei in „Auschwitz/ Ost-Oberschl.“ Dorthin verkaufte das Erfurter Unternehmen Topf und Söhne Öfen, in denen in deutschen Konzentrationslagern die Körper ermordeter Menschen verbrannt wurden. Was hier geschah, in diesem Zeichensaal, in einem Unternehmen, das man heute wohl „mittelständisch nennen würde: Es geschah in der Mitte der Gesellschaft.
Dieser helle Raum im ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Topf und Söhne ist heute ein Ort des Gedenkens, Lernens, ein Museum. Poliander besuchte im Spätherbst 2013 den Erinnerungsort Topf und Söhne in Erfurt und sprach mit Menschen, die dort arbeiten, und Menschen, die den Ort besuchen.
In der Tageszeitung ND am 1. Februar 2014:
»Stets gern für Sie beschäftigt«
Ein Erfurter Traditionsunternehmen baute die Öfen für Auschwitz
Von Ulrike Gramann
Koordinaten: 50° 59′ N, 11° 2′ O, Website des Erinnerungsortes Topf und Söhne