Polianders Zeitreisen

Polianders Zeitreisen header image 1


Poliander bleibt auf der Bildspur

14.12.2013 · poliander

Die Brille brauchte sie nicht.

Die Brille brauchte sie nicht.

Ein Film:
Bilderbuchschöne Hühner picken im Garten. Ein Messer wird am anderen geschärft. Hände streichen über den Hals des Huhns. Der Hals wird durchschnitten. Hände rupfen das Huhn, flämmen es ab, schneiden es auf, ziehen die Eingeweide heraus. Und dann liegt das Huhn tot und kopflos da, der blutende Hals wie ein offener Mund. „O Tod wie nahrhaft bist du“, heißt der Film, in dem anschließend noch ein zweites Huhn erscheint, „Pucky Pick“, ein tiefgekühltes Plastikfoliensupermarkthuhn. Margaret Raspé war es, die 1972 die beiden Hühner in den Suppentopf brachte und das Tun ihrer eigenen Hände dabei genauer filmte, als uns lieb ist. „Man ist immer Teil des Dramas“, sagt sie: „Ich bin drin, nicht draußen, kein Engel, der auf einer Wolke sitzt und zuschaut, was die Menschlein machen.“

Aber wie kann eine filmen, während sie ein Huhn schlachtet und zubereitet? Das Geheimnis lüftet Poliander

am 14. Dezember 2013 in der Tageszeitung ND

Man ist immer Teil des Dramas
Von Ulrike Gramann

Ein anderer Film: „Backe backe Kuchen“.
Die Filmheldin, Täterin, Filmerin in einem haut einen Teig zusammen, mit großen Mengen Mehl und Hefe, knetet den elementaren Klumpen, aus dem in diesem Moment auch noch ein Vogel werden kann, der, mit Atem behaucht, erschreckt tschilpend davonfliegt. Der Teig aber bleibt ein dickes Ding wie aus der Erde gequollen. Elementare Handgriffe, die jede kennt, die auch heute den Zuschauerinnen so tief vertraut sind, dass sie, während der Film noch läuft, unwillkürlich ins Gespräch kommen. Würden wir den Zopf genauso kneten, formen, backen? Über dieses Involviertsein beim Anschauen der Raspéschen Filme schrieb schon die Filmemacherin Helke Sander in der in den 1970er Jahren monatlich erscheinenden Zeitschrift „Frauen und Film“. Sie lobte den Film als gelungenes Beispiel für den Film einer „Betroffenen“, die solche Arbeit seit zwanzig Jahren macht. Lust, sagt Raspé, hatte sie keine dazu. In der Tat „automatisch“ habe sie die Hausarbeit getan, ohne Blick dafür: „Erst als ich die Kamera dazwischenschaltete, habe ich meine Arbeit wieder gesehen.“ Keine Frage, zum Filmen hatte sie Lust.

Film existiert dadurch, dass man ihn sehen kann. Wer die Filme von Margaret Raspé sehen will, muss sich etwas gedulden: Filmwissenschaftlerinnen und –aktivistinnen bereiten ihre Wiederaufführung vor, zusammen mit Filmen, die in einem historischen und sozialen Kontext mit Raspés Arbeit stehen. Poliander bleibt auf der Bildspur.

Koordinaten: direkt zum kompletten Artikel, die siebziger, achtziger und so weiter, Raspé, Frauen, die was von Film verstehn, noch eine, die was von Film versteht

 

Ausgrabung
· ·