Polianders Zeitreisen

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Von den Kykladen

08.03.2012 · poliander

Frau Künstlerin

Frau Künstlerin

Schöne Göttinnen, schöne Frauen, schöne Figuren mehrerlei Geschlechts, Boote, Gerät und andere Funde zeigt das Landesmuseum Karlsruhe. Poliander war im Januar dort, nun ist die Kykladenfrau vom Museumsshop in P.s Regal gewandert.

Kykladen, Inselchen im Meer, geordnet im Kreis, dem kyklos, daher der Name. Vor 5.000 Jahren lebten sie, die jene Figuren aus Stein gemacht haben, die man Idole nennt. Den einen Arm über den andern gelegt, meistens den linken über den rechten, stehen sie und schauen ins Weite. Regelmäßige Gesichter in Abstraktion, manche mit Farbresten, Spuren von Bemalung, die nicht ganz so abstrakt gewesen sein muss. Eine, die P. besonders gefiel, saß und hatte die Beine elegant übereinander gelegt, ganz wie die Arme, das eine über das andere. Gekichert haben P., P.s Gefährtin, Gefährte, Begleiter über die Beschreibungen und Beschriftungen im Museum, nach denen man Weiblichkeit am „Schamdreieck“ erkenne. Schamhafte AusstellerInnen wagen im 21. Jahrhundert noch immer nicht, den unbekannten Erdteil Vulva zu nennen. Dunkel sei der Zweck der Figuren, klein ihre Brüste. Doch wenn ein mit kleinen Brüsten versehenes Idol ohne sichtbaren Penis oder erkennbare Vulva ein spitzes Dreieck überm Gürtel hält, scheint wohl automatisch klar, dass dies ein Messer und das Idol ein Krieger ist. Da wundert sich nur laienhafter Unverstand voll Genderindifferenz, ob es nicht auch Köche gegeben haben könnte oder Kriegerinnen. P. schaut groß und blauäugig. Aber bitte, wir halten uns nicht mit Kleinlichkeit auf, entscheidend ist doch, dass die Schönen zu sehen sind, denke sich jede ihr Teil. Die Schönen sind auch in Gruppen zu sehn, eine auf den Armen der anderen getragen. Manche musizieren. Feine und lange Boote sind zu sehen. Zauber. In Kinderhandhöhe stehn Kästchen. Klappt man sie auf, findet man Dinge darin und Geheimnisse, weiche und feste. Was besaßen die Menschen, was trugen sie bei sich, und wie haben sie es bearbeitet? Das gefällt P. nun wieder, darin sind sie gut hier im Museum, und als ein Mann seinen Jungen ermahnt, nicht hineinzufassen, mischt P. sich ein: Sind die Kästchen nicht dazu da? Die Freude vermehrt sich noch im Museumscafé, wenn man mit den GefährtInnen die griechische Versuchung teilt und den pechscharzen Kaffee.

Und am achten März blättert Poliander das Notizbuch auf und macht ein Foto vom Bücherregal. Die Kykladin schaut ins Weite. Wir fühlen uns beschützt und beschenkt.

Koordinaten: Kykladen. Lebenswelten einer frühgriechischen Kultur. Sonderausstellung des Badischen Landesmuseums Karlsruhe. Noch bis zum 22. April 2012. Ein Teil der Objekte stammt aus den Sammlungen des Museums, Besuch lohnt also jederzeit. 49° 1′ N, 8° 24′ O

 

Schönste Stellen
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