Polianders Zeitreisen

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Homo viator, Märchensträhnen und goldener Grund

19.08.2011 · poliander

Erdbeeren, Wegerich, Brennessel

Erdbeeren, Wegerich, Brennessel

Wer in der Zeit unterwegs ist, hört auch viel von den Reisen anderer. Wo die schönen Bücher wohnen und wo die Triebisch in die Elbe mündet, begegnete Poliander Frau Gold und Herrn Silesius, nicht dem Angelus, aber auch aus dem Osten. Sie nahmen P. mit auf ihre Zeitreise durch Europa, die Kunst, das Leben. Süß dufteten die Wilderdbeeren.

Sie:
In ihrem Küchenbuffet hat sie Märchen stehen wie andre Leute Eierbecher. Und auf den glatten Zylindern, die die Sockel ihrer Märchen vorstellen, könnten genauso gut Eier sitzen. Ob die zum Frühstücksei taugten oder darin ein silbernes Schlänglein sitzt – wer weiß. Grad jetzt sitzen kugelrunde Froschkönige darauf, auf gegenüberliegenden Punkten mit der goldenen Kugel besetzt, die in den Brunnen fiel, und dem Krönchen, das die Prinzessin trug. Dreht man das Objekt, kommen, je nach Ansicht, Dienst und Herrschaft zum Vorschein. Sie schneidet schon einmal eine Strähne aus dem eignen Zopf, wenn einem Märchen grad goldene Haare fehlen, und wenn sie Musik braucht, bringt sie Amöben zum Singen. Sie hütet die Erinnerung und macht aus Scherben ihre Stärke.

Er:
Er weiß, wie man Kühe hütet. Er verließ sein Mutterhaus mit zehn und fragte bei polnischen Bauern nach Arbeit. Auch die waren arm, kreuzunglücklich dazu, umgesiedelt aus jenem Galizien, das zu vielen vergangenen Reichen gehörte, auch einmal zur Sowjetunion.Er hütete die zwölf Kühe der Familie, arbeitete, was anfiel. Allein und unterwegs machte er Erfahrungen, die bis heute wirken, das Licht über einem Hohlweg, der Fleck, auf dem Grasnelken standen. Als er viel später noch einmal zur Schule ging, im fernen Münsterland, sagte der Lehrer: “Geh raus, zeichne die Kirche!” Er meinte es gut. Die anderen im Dorf riefen ihn “Barbar”. Sie hatten noch nie einen Protestanten gesehen. Er ging fort und fort und druckte und malte und schrieb und band ein. Das kann er selbst.

Poliander besuchte Herbst und Gold und schrieb alles auf. Ihre Geschichte, erzählt von Ulrike Gramann, erscheint am 20. August in der Wochenendbeilage der Tageszeitung ND. Hier online lesen: Der Nomade und die Meisterin der Scherbenstärke

Koordinaten: 50° 0′ N, 8° 16′ O und 51° 10′ N, 13° 29′ O. Die Gespräche mit Gold und Herbst führte Poliander Himmelfahrt 2011 in Mainz und Pfingsten 2011 in Meißen.

Begegnung · Buchstabenfracht
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