Polianders Zeitreisen

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Im Untergrund bewegt sich das Salz

12.09.2011 · poliander

Alles schief, hält trotzdem.

Alles schief, hält trotzdem.

Es gibt zwei Bahnhöfe in Lüneburg. Auf dem einen hält der ICE, von dem andern fahrn die Bähnchen ins Wendland, ja, da, dahin, die Strecke ist gemeint, über die auch die Brüder des Pollux rollen, der nämlich, Pollux meine ich, nicht bloß einen hat, und alle, alle heißen sie gleich. Lüneburg ist noch nicht Wendland, Lüneburg liegt am Rand der Heide, nicht mittendrin, nein, und der Fluss heißt die Ilmenau. Lüneburg sieht ganz aus wie eine Stadt für Touristen. Aber schön.

Lüneburg ist alt und hatte einen kostbaren Hafen, um das Salz zu verschiffen, das unter Lüneburg in einem Salzstock liegt, und die Schiffe waren gar nicht groß, mit denen das geschah. So kostbar war das Salz, dass es sich lohnte, es mit kleinen Schiffen in die Welt zu bringen. Manche sagten, der Name der Stadt käme von Luna, und ließen sich halbe Monde in die Wappen und Hauszeichen fügen. Die Wissenschaft schritt fort, die Monde wurden abgeschlagen, als man zu meinen begann, der Name käme doch von hliuni, Zuflucht, von einer Burg der Billunger, die 951 eine Burg auf dem kalküberwölbten Salzstock bauten. Da gab es die Saline schon, und erst 1980 wurde sie geschlossen. Weil das Salz sich bewegte. Und es bewegt sich so, dass ganze Stadtteile sich senken, Kirchen in Schiefstand geraten. Lamberti wurde abgerissen, St. Johannis steht schief, aber steht. Ja, links schauen, aufs Bild! St. Nikolai steht auch, und um so fester. Das Schönste darin sind zwei moderne Fenster, durch die grau und zart das Licht fällt, und rot wie Blut ist Glas über diese neuen Fenster geflossen. Schön, ja. Das Allerschönste ist ein Altar, der zeigt die ganze Geschichte, den heiligen Comic und auch Polianders Lieblingsgeschichte, Karsamstag: Christus steigt von seinem Grab tiefer, in die Vorhölle hinab, von dort die Gerechten zu befrein, was nicht ohne Streit mit den Teufeln abging.

Holt sie hier raus.

Holt sie hier raus.

Es ist, wie jeder bibelfeste Christ weiß, eine inoffizielle Geschichte, die nichtsdestotrotz im Mittelalter große Berühmtheit erlangte. Poliander malt sich aus, wie der Erlöser im Untergrund tätig wurde, den Streit und wie wohl die Gerechten überrascht waren. Die Flammen züngeln zwar, berühren aber die Gerechten nicht. Und die Teufel blicken stumm. Und in der Kirche ist es finster, wie das Bild zeigt. Poliander blitzt nicht in fremden Kirchen rum. Wer aufs Bild klickt, kann dennoch die Fratzen der Teufel erkennen. Draußen vor St. Nikolai wechseln Licht und Regenhuschen. Poliander fragt sich, was der viele Regen mit dem Salzstock macht, unter der Stadt. Sie bewegt sich noch immer. (Und das ist nicht der einzige Grund, warum P. und die anderen die Brüder des Pollux nicht wollen.) Und dann fahren sie raus, ins Wendische, wo der Mond weich und voll über den Feldern hängt, zu den Leuten, die den reichen Lüneburgern einst suspekt waren und jedem, der aufrichtig fragt, warum die Kreuze dort schräg stehen, so freundlich Bescheid sagen.

Koordinaten: 53° 15′ N, 10° 25′ O

Schönste Stellen
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