Polianders Zeitreisen

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Kranz oder Krone (67) – wir malen uns was

22.01.2021 · poliander

Male mal a Fard, sagte Opa, eens, das racht fatze kann.

Ach könnt ich mir ne Sonne baun, sangen Pannach und Kunert, und sie bauten dem Meister wirklich eine und noch eine für die schönste der Küchenfraun.

Poliander schreibt sich eine Reise in der Zeit. Wer da mitkommt, wer da nachkommt, wer da vorbeikommt, bitteschön, schreibt P. sich herbei und herbei.

Im alten Osten lasen wir uns ne Reise, wir lasen uns Expert!nnenschaft an im Reisen durch unsere Zimmer, wir segelten uns auf einem Buch um die Welt. Finden Sie das eigentlich schlimm, liebe Leserin? Oder denken Sie nicht, dass das eine Gabe ist, lieber Leser? Ja, denken Sie sich da mal rein.

Wenn Berlin nicht am Meer liegt, egal, ich schreib mir eins.

Wie möchtest du feiern?, fragt der Gefährte. P.: Ich male die FreundInnen auf den großen Tisch. Sie schreiben mir ihre Wünsche und Grüße, die Mails drucke ich mir da hin, Briefe lege ich auf die Plätze, ich schenke uns Rotwein drauf, und das Brot, das die eilig herbeigewünschten FreundInnen mit mir gebrochen haben, projiziere ich mir auf die Fensterbank. Sperlinge und Eichelhäher kommen und holen es ab. Die mal ich nicht, Sperlinge und Eichelhäher, sie begeben sich selbst herbei. Und wenn der Eichelhäher krächzt, kommen die Sperlinge ins Schimpfen. Hätten sie Hände, rieben sie sich vergnügt ihre Bäuche. Denk ich mir nur.

Manche singen sich ein Lied. Schon ist es entstanden. Andre pfeifen sich eins und noch eins. Das ist doch ein sehr schöner Beruf.

Ich denk mir ein Atemloch in die FFPX-Nasen-Mund-Kinn-Wangen-Bedeckung, ich weise mir eine Hand an, die eine fremde Schulter in 2 Meter Entfernung berührt, ich versetze mich in ein geschlossenes Opernhaus, ich hauche mir eine Arie von Christoph Willibald Gluck hinein. Und während sich die Frau gegenüber eine blaue Blume auf den Balkon raucht, schnitz ich mir einen Rüssel ins Freie.

Wir formen uns was und blasen ihm Leben ein. Nicht erst lange phantasieren, auf keinen Fall Machbarkeitsstudien anfertigen, machen, nicht heulen. Wir denken uns durch die Gegenwart wie die Würmer durch den Käse.

Machen Sie sich das Herz nicht schwer.

Das gemalte Pferd stürmte ins Freie, ein Fluchttier. Das hätten Sie sehen sollen, liebe Leserinnen, liebe Leser, wie sich die Arbeitstiere des letzten Fuhrgeschäfts im Dorf anschlossen, und die bewaldeten oder von Feld bedeckten Hügel der ostthüringischen Provinz wurden mir nichts dir nichts zur Puszta von Hortobágy. Unendliche Weiten, Steppe, selten ein Brunnen, jede Menge Himmel allererster Güte, tonnenweise Blau und Rappenschwarz, Apfelschimmelzartgrau und Brauereipferddunkelbraun, ein paar ganz kleine Blumen, Spinnentiere und Grashüpfer, 240 Vogelarten, ein Flügelschlagen war das und ein Hufschlagen, und weit weg, aber sehr irdisch umrahmten Gebirge und Meer diese artenreiche Gegend. Der Opa staunte.

Koordinaten: 2.106.262 (Zahl laut Täglichem Lagebericht des Robert-Koch-Instituts vom 22. Januar 2021). Genesene: ca.1.780.200 (vom RKI geschätzter Wert laut Lagebericht desselben Tages). Pannach/Kunert 1977.

Kranz oder Krone