Polianders Zeitreisen

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Polianders historischer Hedonismus: Staufer in Mannheim

25.01.2011 · poliander

Foto: Frank Boxle (Bildrechte: Curt-Engelhorn-Stiftung, Mannheim)

Foto: Frank Boxle (Bildrechte: Curt-Engelhorn-Stiftung, Mannheim)

Der Mantel liegt unter Glas, ein perfekter Halbkreis: Viermal zeigt das Muster den Adler mit der Träne, der auf Schlangen tritt. Sie umklammern seine Klauen. Die elegant stilisierten Tiere und die Halbmonde im Mustergrund zeigen Geschmack, Gesinnung und Geschick der arabisch-normannischen Handwerkskünstler des frühen 13. Jahrhunderts auf Sizilien. Eine später hinzugefügte Borte mit Kreuzigungsmotiv stört kaum. Friedrich II. soll den Mantel bei seiner Krönung getragen haben, Barbarossas Enkel, geboren auf Sizilien, genannt „stupor mundi“, Staunen der Welt.

„Die Staufer und Italien“ lautet der Titel der Ausstellung der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz im Mannheimer REM, dem Reiss-Engelhorn-Museum, 33 Jahre nach der legendären Stuttgarter Staufer-Ausstellung von 1977. Darin wendet sich das REM weniger der staufischen Herrschaft zu als ihrer Verortung in Raum und Zeit.  Das Staufergeschlecht und sein schwärmerisch überformtes Abbild erfreut sich ungebrochener Popularität im Gedächtnis der Deutschen. Friedrich I. Barbarossa, der auf dem dritten Kreuzzug ertrank und der Sage nach im Kyffhäuser schläft, Symbol der „Reichseinheit“, von dessen Körper ein Teil beinah zur Reliquie geworden wäre: Trunken, so will die Legende, stolperte er auf der Treppe einer italienischen Schenke und schlug sich einen Zahn aus, welcher, von unbekannter Hand geborgen und geschickt verpackt, sich über die Jahrhunderte erhalten haben soll. In Mannheim ist der Inhalt der Verpackung zu sehen: ein Holzspan, ein bizarres kleines Objekt, das irgendwann den Zahn, wenn je einer in der Verpackung lag, ablöste. Heilig wurde das Dingelchen nicht, wie auch Friedrich es nicht zum Heiligen, sondern zur Sagengestalt brachte, als nationales Symbol nur immer missverstanden. Aber das vergoldete, zum Kaiserkopf idealisierte Abbild Friedrichs I. birgt buchstäbliche Heiligkeit: winzige Päckchen, allerliebst umhüllt mit textilem Material, die Fragmente heiligen menschlichen Gebeins enthalten. Dem Kopf, der ein Reliquiar ist, entnommen, liegen sie hingebreitet vor der Besucherin, wundertätiges Kunstgewerbe, in dem steckt, was modernen Geistern makaber scheint.

Die Mannheimer Ausstellung, mag eine von ihr halten, was sie will, und Poliander sieht sie ordentlich kritisch, zeigt in großer Fülle, was das Mediävistinnenherz zu sehen begehrt: Skulpturen, Siegel, Handschriften, Spolien, Merkwürdigkeiten. Polianders Lieblingsstück: ein bronzegegossner Pelikan, dessen Rücken eine Buchstütze hergibt, dessen Brust aber eine Traube von Blutstropfen entquillt, die schwer und satt die Natur des Metallvogels enthüllen:  Der Physiologus sagt von ihm, dass er sich die Brust aufreißt, die eigenen Jungen mit seinem stets quellenden Blut zu nähren, „schön spricht der Physiologus vom Pelikan.“ Die Ausstellung zeigt auch gleich zwei Handschriften von Friedrichs II. Falkenbuch: die älteste und eine besonders schön illuminierte. Sie zeigt, Wunder über Wunder, Grabsteine aus dem polyglotten Sizilien des 12. Jahrhunderts, in dem man arabisch sprach, griechisch, hebräisch.

Wer über derlei staunen will, sollte eilen:  Die Ausstellung ist noch bis zum 20. Februar 2011 geöffnet.

Koordinaten: Die Staufer und Italien. Polianders Kritik, erschienen am 25. Januar 2011.
Die Abbildung oben links zeigt den „Cappenberger Barbarossakopf„, Westdeutschland, um 1160, Bronze; H: 31,4 cm / Gewicht: 4605 g, Selm, St. Johannes Ev., Schloss Cappenberg.

Augenweide
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