Polianders Zeitreisen

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terra a.: mit Augen und Ohren wieder im steinigen Land

28.08.2016 · poliander

Das Buch Erol Gurdians

Das Buch Erol Gurians

Touristin: du bist und du bleibst fremd. Dann siehst du die Orte wieder oder Bilder davon, liest ein Buch, siehst einen Film, und die Verbindung ist wieder da.
Hören und lesen: die Geschichten, die Menschen erzählen, die ein anderes Band mit dem Ort verbindet, den auch deine Augen gesehen haben.
Sehen: Bilder, die hat wer gemacht, der Geschichten hörte, Geschichten nachging bis an die Quelle.
Wiedersehen: auch ich bin dort gewesen.
Berlin-Dahlem, Sommer 2016. Noch sind die Museen in Dahlem nicht ganz leer***, noch dürfen wir die Dinge an den vertrauten Orten sehen, ehe sie ins Fake-Schloss wandern müssen. Die Stadt ist ganz weich geworden in drei Tagen Hitze, durch die leeren Hallen der Dahlemer Museen zieht es eiskalt. Wetter und Klimaanlagen erinnern P. ans Land der Steine. Kontinental, heiß, eisigkalt.

Nur ein Zimmer für Armenien im riesigen, jetzt menschenleeren Museum.

Der Bildjournalist Erol Gurian machte sich auf zu ArmenierInnen überall auf der Welt und ließ sich erzählen, welches ihr Traumort in Armenien sei. Und er machte sich auf nach Armenien, um diese Orte zu fotografieren.

P. kann den Klang sehen, seit P. dort war, begegnen uns armenische Steine überall.

Aber das ist nicht das Gleiche. Gurian erzählt von terra arMEnia, arMEnia wie me, moi, ich. Es ist eine persönliche Geschichte. Sieben Millionen ArmenierInnen leben überall auf der Welt in der Diaspora, nur drei, und nur offiziell drei, in dem kleinen steinigen Land, das heute Armenien ist. Die Orte, von denen sie sprechen, sind berühmte Landschaftsansichten, private Flecken auf der Erde, Menschen, deren Füße darüber gehen. P. erzählt hier nicht nach, welche Geschichten die Männer und Frauen auf den Fotos erzählen, was Armenien für sie bedeutet, welcher Ort Armenien für sie bedeutet. Doch es ist eine der schönsten kleinen Ausstellungen des Jahres.

Und sie ist auch deshalb schön, weil Ani Hovakimyan auch ArmenierInnen in Armenien nach ihrem Traumorten befragte und ihnen nachging. Wenige Sätze, zwei Bilder, aus denen man stets etwas vom Wesen einer ganzen Biographie erfährt. Zwei Sofas, zwei Monitore, P. und der Gefährte lehnen sich zurück und schauen auf die Bilder.

Und dann noch ein paar Dinge, eine Schale, Granatäpfel, ein paar wenige Zeugnisse des Mordens. Die sprechen vom Ursprung der Diaspora.

Nur ein Zitat für Sie, LeserInnen, es steht auch auf der Rückseite des kleinen Buchs mit Gurians Fotos: Eine Journalistin aus der deutschen Stadt M. erzählt von ihrem Aufenthalt in Armenien, und sie zitiert ein paar Sätze, die eine unbekannte Frau ihr sagte. Sie soll gesagt haben: “Bleib nicht zu lange hier. Armenien ist wie ein Raubtier – es frisst dein Herz.”

Wer’s riskiert, fährt hin. Wer ein Herz hat, das zu fressen sich lohnt, tut das Mindeste und besucht die “Traumorte” der terra arMEnia.

Koordinaten: 52° 27′ 29” N, 13° 17′ 15” O. “Traumorte” im Museum Europäischer Kulturen noch bis zum 6. November 2016. Berlin-Dahlem, Lansstr. 8
terra arMEnia auf der Seite von Erol Gurian

* Berichtigung am 29. September 2016:
Poliander wurde durch das Museum Europäischer Kulturen nachträglich darauf hingewiesen, dass es in Berlin Dahlem verbleiben und nicht wie andere Museen aus Dahlem nach Berlin-Mitte umziehen wird. Dass es bleibt, ist schön, dass die anderen gehen müssen, bleibt ärgerlich. Nun fragen wir uns nur noch, ob das kleine nette Museum dann wohl die ganzen verwaisten Hallen der Dahlemer Museen nutzen darf. Bleiben Sie neugierig, LeserInnen!

Mehr Armenien lesen:
Poliander im Land der Steine eins, zwei, drei, Nachklang (Aghet)

Begegnung
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