Polianders Zeitreisen

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Im Kino gewesen. Kämpferinnen gesehn.

25.02.2016 · poliander

Guter Film

Guter Film: Taten statt Worte

“Im Kino gewesen. Geweint”, soll Kafka in sein Arbeitsheft notiert haben. Diesen zugrundezitierten Satz bekommt P. nicht leicht aus dem Kopf, wenn P. im Kino jene Kämpferinnen verkörpert sieht, die für unsere demokratischen Rechte gestritten haben. Von jener Überwältigung, die Kafka erfasste, wenn in der dunklen Höhle, die das Kino ist, durchleuchtete Bilder sich ereigneten, Geschichte, Drama, Geschichten, Wirklichkeit, ist uns in der Allgegenwart von bewegten Bildern vielleicht nur eine Spur geblieben. Die Spur, die Bilder legen, die Frauen zeigen, die um grundlegende Rechte kämpfen, darum, überhaupt Bürgerin zu sein, ist dick und breit. Diese Bilder gehen P. persönlich an. Uns. Gefühle erlaubt.

Darum geht es beim Feminismus: Menschenrechte, demokratische Rechte, das sind BürgerInnenrechte. Zuallererst und wesentlich geht es darum. Es geht darum, gleich zu sein, kein Ding, kein Werkzeug, auch nicht ein sprechendes Werkzeug, es geht darum, ein Recht auf körperliche Integrität zu besitzen, zu sprechen, zu entscheiden, über Besitz selbst zu verfügen. Viele Männer und etliche Frauen verwechseln das bis heute mit einem Kampf um Sprachregelungen. Es stimmt, dass wir genannt werden und sichtbar sein müssen. Aber auch wenn alle genannt sind, ersetzt das nicht keine demokratischen Rechte: handeln zu dürfen wie jedermann.

Darum geht es in Sarah Gavrons Film “Suffragette”. Er erzählt die Geschichte von Frauen, einer Wäscherin, einer Apothekerin, von Frauen aus der bürgerlichen Mittelschicht und von Arbeiterinnen, die am Beginn des 20. Jahrhunderts in England gemeinsam um das Wahlrecht kämpfen. Die Hauptfiguren dieses Films sind Frauen. Sie haben einen Namen. Sie reden miteinander nicht über Liebesschmonzetten. Frauen reden miteinander über ernsthafte Dinge, es geht praktisch ausschließlich um politische Inhalte. Der Film erzählt dabei einfach auch eine Geschichte, in der es Gewalt gibt, Trennung, Verlust, Wut, Solidarität, Zuneigung und all das. Trotzdem verzichtet er komplett auf Liebesschmonzetten und die marktgängige Fiktion, dass Frauen allein, noch dazu ohne Liebesabenteuer, ein erzählerisches oder dramatisches Werk nicht füllen können. Der kritische Denkschritt dabei ist, was P. auffällt und bewundert: “Suffragette” zeigt sehr klar den Zusammenhang von politischer Rechtlosigkeit mit dem persönlichem Ausgeliefertsein an männliche Vormünder und Autoritäten, die mit Gewalt davon Gebrauch machen, in der Familie, am Arbeitsplatz. Das so zu zeigen ist, leider, noch immer nicht banal. Um genau zu sein: Selten wird es so genau gezeigt. Und selten hat P. im Film gesehen (noch seltener im Leben), dass eine erwachsene Frau ein Mädchen aus unmittelbarer sexistischer Gewalt herausholt. Die Kernstelle des Films, liebe Leserin. Schau hin. So geht das.

“Suffragette” ist ein Film. Es wird geweint, mitgelitten, gelacht, geklatscht. Man kann damit kritisch umgehen. Manche, zum Beispiel, werden sagen, dass sie nicht gerührt werden wollen, weil sie auf kühlem Weg Sicherheit erlangt haben, dass demokratische Rechte keine Person ausschließen dürfen. Sicher ist: Der Film besteht den Bechdel-Test. Sicher ist: Erzählt wird eine der Ur-Geschichten des Feminismus. Ein Jahrhundert nach Olympe de Gouges und ihrer Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin kämpfen Frauen um das Wahlrecht. Seither ist erneut ein Jahrhundert vergangen. Und was bedeutet das für dich?

Im Kino gewesen.

Koordinaten: Olympe de Gouges, Suffragetten, Suffragette – Taten statt Worte, Suffragetten, Extremistinnen der Sichtbarkeit (Link zum DHM)

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