Polianders Zeitreisen

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Gespräch mit einer Dichterin

11.06.2014 · poliander

Der Augenblick, an dem du deinen Text wiedersiehst, eineinhalb Jahrzehnte später in einem anderen Kontext. Du erinnerst dich an jenen Nachmittag und die Details des Ortes, als du mit der Dichterin sprachst, an Einzelheiten einer Begegnung, den Stand von Bauarbeiten, zum Beispiel, Blicke, Sitzgelegenheiten, Gesten, die Fürsorglichkeit dritter Personen für die von dir Befragte, die dich rührte. Du erinnerst dich, dass du dann erneut hingehen musstest, weil die Befragte etwas zu deinem Text anmerken wollte. An die Intensität der Arbeit, die Fragen, die Antworten, an die Beurteilung deiner papierigen Gesprächsvorbereitung (“Was haben Sie da für Arnoschmidtsche Konvolute?”) Du erinnerst dich an die vielen Sätze, die du streichen musstest, weil man viele Sätze streichen muss, um einen Kern freizulegen, und daran, dass es dir unmöglich war, jene Passage zu streichen, in der es um ein Gedicht ging, das eine vorm Spiegel sagte als magische Selbstermutigung.

Du liest nicht viele Gedichte.

Zum Lesen oder Wiederlesen hier das Gespräch mit Elke Erb von 1999: “Es könnte ja auch ein Herz geben, oder?” Ja, natürlich, erst Erbs Gedicht lesen, dann etwas scrollen.

Und ja, an einer Stelle wurde ein Stück herausgebrochen, warum, wer weiß, das hieß:
—Intuition ist eine phantastische Form gebündelter Aufmerksamkeit. Und übrigens hasse ich das sehr, wenn die Frauen erzählen, sie schreiben aus dem Bauch und solche schrecklichen Geschichten. Es könnte ja auch ein Herz geben, oder? Mindestens, nicht? Aber da ist etwas, was einen Konkurrenzbetrieb aufnimmt, und der ähnelt immer dem, mit dem er konkurriert. Ich kann nicht aus dem Bauch schreiben, wo anscheinend alles weich und organisch zugeht, wenn es in der Welt Gefängnisse gibt. Übrigens habe ich schon öfter weibliches Schreiben studieren müssen, als Jurymitglied bei Lyrikwettbewerben. Und das war schon sehr beeindruckend. Ich hatte eigentlich das Bedürfnis, mich mit einem Megaphon vor die Frauen—
Kann man noch mal lesen, so eine Stelle.

Koordinaten: 52° 32′ 21” N, 13° 25′ 27” O, 1999, Interview mit Elke Erb (© für das Interview Ulrike Gramann), zitiert bei planet lyrik.

Ausgrabung
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